Pressemeldungen Archiv 2022
Ein Besuch in den Schutzräumen der ehemaligen Kaserne und heutigen Bayerischen BauAkademie
12.05.2022
Eine unscheinbare Treppe auf dem Gelände der Bayerischen BauAkademie in Feuchtwangen führt mit nur wenigen Stufen unter die Erde. Hinter einer schweren Stahltür wartet auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches: ein langer Kellerflur mit hellen weißen Wänden und mehreren Türen, dahinter kleine Nebenräume mit Belüftungsanlagen und Rohren. Am Ende des Korridors geht es über eine weitere Treppe noch tiefer hinab. Der Weg teilt sich und führt direkt in zwei Schutzräume. Spätestens ab hier ändert sich die Stimmung schlagartig. Die Luft ist merklich kühler als im Eingangsbereich zuvor. Dazu sorgen kahle Betonwände, grelle Leuchtröhren, eine stetige Beengtheit sowie eine bedrückende Ruhe für ein beklemmendes Gefühl.
„Obwohl ich den Schutzraum inzwischen schon oft besichtigt habe, begleitet mich bei einem Besuch jedes Mal eine gewisse Bedrückung“, schildert die Geschäftsführerin der BauAkademie Gabriela Gottwald. Gerne zeigt sie die Bunker jungen Menschen und Gästen der BauAkademie, denn nur Wenigen sei bewusst, welche Maßnahmen bei großen Notfällen möglicherweise Schutz bieten könnten. Aufgrund baulicher Umnutzungen könne Gottwald nicht sagen, wie viele Schutzbauten sich insgesamt auf dem Gelände befinden. Nach den Erzählungen früherer Besucher wurden die Bunker in Feuchtwangen um das Jahr 1972 mit dem Bau der Kaserne errichtet. Unterkommen können in einem dieser Schutzräume der Bayerischen BauAkademie in Feuchtwangen gleichzeitig maximal 50 Personen, aufgeteilt auf jeweils 25 Schlaf- sowie 25 Sitzplätze. Vorräte an Trinkwasser und Essen gibt es nicht. Die Atomschutzbunker der ehemaligen Feuchtwanger Kaserne waren darauf ausgerichtet, bei einem atomaren Angriff drei Tage in Folge unterirdisch zu überleben. Ob sie im Notfall heute noch einsatzbereit wären, müsste Gottwald zufolge zunächst fachlich geprüft werden, denn technisch sei man heute viel weiter.
Der Einlass in das sichere Notquartier war ursprünglich äußert strikt geregelt, wie Gabriela Gottwald weiter erläuterte. Bereits am Eingang in den Keller mussten Schutzsuchende ihre kontaminierte Kleidung ablegen, sodass diese in einem speziellen Bereich eingeschlossen werden konnte. Nach einer chemischen Dusche erfolgte die Ausgabe sauberer Kleidung, bevor die Personen schließlich in die jeweiligen Schutzräume eintreten durften. Hier musste sich jeder entsprechend einer offiziellen Schutzraumordnung verhalten. „Die Schutzraumgemeinschaft ist eine Notgemeinschaft, in der jeder Einzelne seinen Kameraden Hilfe und Beistand zu geben hat. Disziplin, Ordnung und gegenseitige Rücksichtnahme sind oberstes Gebot“, heißt es in der 1986 verfassten Niederschrift, die noch heute im Bunker zu finden ist.
Dritter Bürgermeister Herbert Lindörfer berichtet derweil von mehreren Anfragen aus der örtlichen Bevölkerung zu den Feuchtwanger Schutzräumen. „Die Bilder und Nachrichten über die schrecklichen Geschehnisse in der Ukraine berühren auch die Leute hier bei uns und wecken das Interesse an den Schutzeinrichtungen in der Nähe“, äußert Lindörfer. Gerade mit Blick auf die gegenwärtige Situation sorge ein Besuch in einem der Feuchtwanger Bunker auch bei Lindörfer für ein starkes Unbehagen. „Es ist wirklich unvorstellbar, im Ernstfall hier unten auf engstem Raum und vollkommen abgeschottet von der Außenwelt auszuharren und dabei nicht zu wissen, was draußen passiert“, verdeutlicht Feuchtwangens dritter Bürgermeister. „Man kann nur hoffen, selbst niemals in eine derartige Situation zu kommen, und wünscht sich wirklich von Herzen, dass dieser Wahnsinn in der Ukraine schnell ein Ende hat.“